Chemie

Natriumhypochlorit (NaOCl) ist das Natriumsalz der unterchlorigen beziehungsweise hypochlorigen Säure (HClO). Es ist ein weißes Pulver, das im Normalfall sechs Mol Kristallwasser pro Mol Natriumhypochlorit enthält. Die Strukturformel ist Na+ OCl-. NaOCl ist gut in Wasser löslich, ätzend und hat eine bleichende Wirkung. In der Endodontie wird meist eine 0,5% - 5,25% Nartriumhypochlorit - Lösung verwendet. Diese Lösung ist alkalisch und hyperton. Ausfallende Salze können auf die Spülspritze eine blockierende Wirkung haben. Bei der Spülung entstehen u.a. Chorgas und Hypochloritsäure.

Welche gewünschten Wirkungen haben NaOCl - Lösungen in der Endodontie?

Schon Dakin (1915), Crane (1920) und Grossman (1941) berichten über die zwei Hauptwirkungen: NaOCl verfügt über antimikrobielle Wirksamkeit gegenüber ein breites Keimspektrum(z.B. MIC gegen Candida albicans <10 mikrog/ml) und gewebsauflösende Eigenschaften gegenüber vitalem und nekrotischem Pulpengewebe.

Die bei der Spülung entstehende Hypochloritsäure in undissoziierter Form stört die Sulfatgruppen der bakteriellen Enzyme. Die Wirkung hängt von der Konzentration, Einwirkungszeit, Spülvolumen und Organisation und Zugänglichkeit der Mikroorganismen ab.

Dentin und Proteine hemmen die Wirkung von NaOCl. NaOCl sollte kühl und lichtgeschützt aufbewahrt werden. Länger gelagertes NaOCl verliert an Wirkung Johnson BR 1993.

The´ SD (OOO 1997) zeigte, dass die gewebsauflösende Wirkung reduziert ist, wenn der Zahn vorher mit Formkresol behandelt wurde.

Wodurch kann die Wirkung von NaOCl gesteigert werden?

1. Temperatur

 
Eine Möglichkeit der Erwärmung durch ein Wasserbad

Durch eine Erwärmung kann die gewebsauflösende Wirkung erhöht werden. Der Effekt auf die antimikrobielle Wirkung wird unterschiedlich beurteilt.Grundsätzlich laufen chemische Reaktionen bei Temperaturerhöhung beschleunigt ab. In diesem Fall ist die Frage, wie viel von der Temperaturerhöhung letztendlich im Kanal ankommt.


Literatur:


-Berutti E, Marini R: A scanning electron microscopic evaluation of the debridement capability of sodium hypochloride at different temperatures.[1]J Endod 23(12):725,1997 In vitro wurde 1% ige NaOCl Lösung bei 21 und 50°C verglichen. Im Mittleren Kanaldrittel fand sich bei höherer Temperatur eine deutlich geringere Schmierschicht, im apikalen Drittel waren die Unterschiede fast gleich.

- Cunningham W, Balekjion A: Effect of temperature on collagen-dissolving ability of sodium hypochloride irrigating solution. Oral Surg 49:175, 1980 [2] Die Lösungsfähigkeit gegenüber Kollagen war bei 2,6% iger Lösung mit 37°C entsprechend der von 5,2% iger Lösung mit 21°C.

-Cunningham W , Sammy W: Effect of temperature on the bactericidial action of sodium hypochloride endodontic irrigant, Oral surg, Vol 50 (6)1980: 569-571 In vitro war die bakterizide Wirkung von 2,6%iger NaOCl - Lösung bei 37°C signifikant höher als bei 22°C.

-Gambarini G: Chemical stability of heated sodium hypochloride endodontic irrigants. J Endod 24(6):432,1998[3]Auf 50°C erhitzte NaOCl Lösung wurde über 30 Tage untersucht. Wirksamkeit und Konzentration nahmenin dieser Versuchsanordnung kaum ab.

- Abou-Rass M, Oglesby SW: The effect of temperature, concentration and tissue type on the solvent stability of sodium hpochloride. J Endond 1981(7): 376-377 [4] NaOCl mit 140 Grad Fahrenheit löste vitale Gewebe in 1/4 der Zeit und nekrotische Gewebe in 1/10 der Zeit gegenüber Lösung mit Zimmertemperatur.

-Sirtes G, Waltimo T, Schaetzle M, Zehnder M.:The effects of temperature on sodium hypochlorite short-term stability, pulp dissolution capacity, and antimicrobial efficacy.J Endod 2005 Sep;31(9):669-71[5] Ergebnisse:

1. Auch 60°C temperierte Naocl Lösung war über 60 min stabil

2. 1%Lösung bei 45°C löst Pulpengewebe wie 5,25% und 20°C warme Lösung

3. 1% Lösung wurde durch erwärmen von 20 auf 60°C 100 mal effectiver im Abtöten von E.faec. Stämmen in vitro. Schlussfolgerung: Erwärmen niedrig konz. Lösungen wird wegen besserer Biokompatibilität empfohlen.


2.Schall- und Ultraschallaktivierung

Die Anwendung von Ultraschall beschleunigt die Wirkung von NaOCl -Lösungen ( u.a.: L. van der Sluis: Die passive Ultraschallspülung des Wurzelkanalsystems. Endodontie 2006;15(2):103-104) .


3.Wechselwirkungen in Kombination mit anderen Spüllösungen

Wechselwirkungen mit H2O2 und EDTA führen einer Verringerung des Hypochlorid -Anteils. Gleichzeitig kann EDTA z.B. jedoch eine tiefere Wirkung im Dentin fördern. Cunningham (1982) untersuchte die Wechselwirkungen von Alkohol und NaOCl- Lösungen.

4.Applikation mittels verschiedener Kanülen

Die Anwendung von möglichst tief reichenden Kanülen vorzugsweise mit seitlicher Öffnung wird häufig empfohlen.


5.Abhängigkeit von der Aufbereitungsgröße

Dentin und organisches Materialwirken wirken oxidierend (Zerfall in Na+ und Cl- Ionen)und verringern die Wirksamkeit von NaOCl Lösungen. Daher sollte die Spülflüssigkeit häufig im Kanal erneuert werden.Daher ist eine größere Wirkung nach fortgeschrittender Aufbereitung zu erwarten.Es wird gesagt, daß wegen der hemmenden Wirkung von Dentinspänen und Gewebsresten zunächst die gewebsauflösende Wirkung von NaOCl Lösungen im Vordergrund steht und später vermehrt die antimikrobielle Wirkung.

6. Häufiges Rakapitulieren

Durch häufiges Rekapitulieren z.B. mit der Patency -Feile wird die Durchmischung auch im apikalen Drittel verstärkt.


7. Einwirkzeit, Menge und Konzentration

              (In Arbeit)

Welche unerwünschten Wirkungen kann NaOCl haben?

1) Auf das periradikuläre Gewebe NaOCl zeigt besonders in höheren Konzentrationen toxische Wirkungen gegenüber periapikalem und parodontalem Gewebe. Aus diesem Grund werden hohe Volumina 0,5%-1% konzentrierte Lösungen empfohlen. Konzentrationen zwischen 2,5-5 % haben einen deutlich stärkeren gewebeirritierenden Effekt ohne dass die antimikrobische Wirkung deutlich mitsteigt.

1989 berichtet Kaufman über die Hypersensitivität eines Patienten gegenüber NaOCl (case report). Calistan berichtet über eine allergische Reaktion [6].

2) Auf das Dentin. Nach Spülung, besonders mit höher konzentrierten NaOCl Lösungen, kann eine geringere Dentinhärte gemessen werden, die auf eine verminderte Kollagenkonzentration zurückzuführen ist. Dadurch kann es auch zu einer verminderten Haftfähigkeit beim Dentinbonding kommen (Sim 2001) [7].

Das Dentin verändert seine mechanischen Eigenschaften nach Gebrauch insbesondere von höher konzentrierten NaOCl-Lösungen. Einen guten Überblick über diese Zusammenhänge findet sich im Artikel von Marending/Zehnder (Endodontie 4/2007) und Sum (2005)[8].

3) Weitere Schadensmöglichkeiten: Instrumente, Textilien und Augen

Es empfiehlt sich, bei Verwendung von NaOCl - Lösungen zur Vermeidung von Schäden an Textilien, Luer-Lock Ansätze zu verwenden und für eine sichere Schutzabdeckung und Augenschutz des Patienten zu sorgen. Sollte es zu einem Kontakt mit der Hornhaut kommen, sollte als Sofortmaßnahme intensiv mit steriler Kochsalzlösung ausgespült werden.

4) Bei Kontakt mit CHX fällt 4-Chloranilin aus. Diese Substanz ist toxisch. Eine Beeinflussung des Behandungsergebnisses aufgrund dieser Ausfällung ist nicht endgültig geklärt. Vermieden werden kann diese Reaktion durch eine "Klarspülung" des Kanals mit z.B. Alkohol, AquaDest, EDTA oder Zitronensäure VOR Wechsel des Desinfektionsmittels.

Fragen, die noch nicht beantwortet sind

Welche chemische Reaktion genau führt zu den Blasen, die man bei der Spülung aufsteigen sieht?

Kann aus der Anzahl der Bläschen auf die Menge des noch vorhandenen organischen Materials geschlossen werden?


Weitere Links: Zum Thema Spülprotokoll [9]